Anfang September stellten die Österreichischen Traditionsweingüter im Schloss Grafenegg ihre aktuellen Weine von den Ersten Lagen vor. Der Jubel über den Jahrgang 2018 blieb doch ein wenig verhalten.
Der österreichische Weinjournalismus jubelt an sich verlässlich über jeden neuen Jahrgang. Gründe dafür gibt es viele – wie zum Beispiel, dass Winzer mitunter empfindlich auf Kritik an ihren Weinen reagieren und in der Folge vielleicht Einladungen zu Verkostungen, Einreichungen bei Weinbewertungen etc. ausbleiben könnten.
Dennoch verweigere ich mitunter den Jubel. Darauf folgt eine Rüge (oder mehrere), die ich aber zunehmend besser verkrafte, denn inzwischen weiß ich, dass es zumindest ein paar Weinfreunde gibt, die dauernde Lobhudelei nervt und die viel lieber meine ehrliche Meinung hören wollen.
Selektiver Jahrgang 2018
Nun ging also von 3. bis 6. September 2019 in Grafenegg die Erste-Lagen-Premiere der Traditionsweingüter (ÖTW) über die Bühne – 198 Weine von 64 Winzern aus dem Kamptal, Kremstal, Traisental und vom Wagram sowie aus Wien und Carnuntum standen bereit. Nationale und internationale Journalisten verkosteten tagelang in einem perfekt organisierten Silent-Tasting, bei welchem man seine Flights individuell und für das eigene Tempo zusammenstellen konnte. Für rasches Service beim Einschenken in die feinen Zalto-Gläser sorgten die Winzer und Winzerinnen selbst. Tolle Sache!
Müsste ich aber die Qualität des Jahrgangs 2018 in einem Wort beschreiben, so lautet es: durchwachsen. Das sehr warme Jahr brachte dem Weinland Österreich den frühesten Lesebeginn aller Zeiten und eine reiche Ernte. Die frühe, rasche und hohe Reife der Trauben sorgte für tendenziell niedrige Säurewerte und zum Teil höhere Alkoholgehalte, zudem stellte sich Gerbstoff als Thema des Jahrgangs heraus. Den richtigen Lesezeitpunkt und die passende Balance zu finden, gelang nicht immer.
Grüner Veltliner vs. Riesling
So präsentierten sich die Grünen Veltliner als auch die Rieslinge recht heterogen. Überaus reife gelbe Fruchtnoten prägten vornehmlich die Veltliner, teilweise sehr saftig und bereits zugänglich. Manchen Weinen jedoch mangelte es deutlich an Struktur, Fokus und Spannung, sie tendierten in die Breite oder verloren sich in einem von rauen Gerbstoffen geprägten Abgang. Zudem waren die Stilunterschiede je nach Winzer beträchtlich. Wer Weine ohne Struktur ins kleine Holz legte und auf Struktur durch Holztannin hoffte, hoffte übrigens vergebens, denn auf diese Art entstand nur selten Harmonie.
Die Rieslinge konnten im Allgemeinen mehr Frische halten, zeigten weniger strukturelle Schwächen und konnten etwaige Gerbstoffe gut in ihre Substanz integrieren. Bestimmte Weingüter zeigen vor, was im Jahrgang 2018 möglich war.
Kamptaler Highlights
Im Kamptal legte Schloss Gobelsburg ein tolles Veltliner-Trio von den Rieden Lamm, Grub und Renner hin, und auch die „Lämmer“ der Weingüter Jurtschitsch und Birgit Eichinger schwiegen keineswegs, sondern tönten stimmig, feinstrukturiert, würzig und elegant.
Die Rieslinge – oft ausgestattet mit viel Grip und einer ordentlichen Ladung Tannin, dies aber in viel Stoff und Schmelz eingebettet – machten zum Teil großen Spaß. Sehr überzeugend traten zum Beispiel die Loiserberg-Rieslinge von Jurtschitsch, Loimer und Bründlmayer auf, wurden dann aber von der berühmteren Lage Heiligenstein noch übertrumpft. Die Topweine vom Heiligenstein stammten wiederum von Bründlmayer (Alte Reben!) und Jurtschitsch (Alte Reben!), das Weingut Hirsch gesellte sich noch dazu. Den schönsten und finessenreichsten Riesling vom Heiligenstein brachte allerdings Fred Loimer mit – vom Jahrgang 2017!
Viel Ausdruck im Kremstal
Auch das Kremstal konnte mit Riesling mehr beeindrucken als mit Grünem Veltliner. Wunderschöne Exemplare kelterten Franz und Patrick Proidl aus Senftenberg – den fantastischen Riesling Hochäcker – salzig, fein und präzise – sowie den saftigen Ehrenfels, der mit viel Stoff eine kompakte Balance hält. Nur der dunkelwürzige Ried Silberbichl und der supergriffige Ried Steinbühel von Malat konnten in dieser Riesling-Liga mitspielen, benötigen aber noch viel Zeit und zeigten erst in Ansätzen, was sie können. Wie sehr es sich auszahlen kann, Weine dieser Klasse erst ein Jahr später zu präsentieren, bewies der Grüne Veltliner Ried Steinleithn vom Geyerhof mit ganz feiner Harmonie.
Debüt in Rot
Zum allerersten Mal waren auch Rotweine beim großen Tasting in Schloss Grafenegg vertreten, denn erst seit 2018 dürfen sich 20 Winzer aus Carnuntum zu den Österreichischen Traditionsweingütern zählen. Ihre Ersten Lagen feierten mit dem Jahrgang 2017 ihre Grafenegg-Premiere. Dabei bestätigte die Lage Spitzerberg abermals ihre Sonderstellung in Carnuntum, zumal die Blaufränkischen von Dorli Muhr, Johannes Trapl und vom Weingut Pelzmann an Eleganz, Struktur und Trinkfluss kaum Wünsche offen ließen.
Bei den Zweigelts stieß man oft auf einen internationalen und vom Ausbau im kleinen Holz gezeichneten Rotweinstil, doch sind gute Ansätze zahlreich vorhanden.