Vertikal verkostet: Gemischter Satz vom Nussberg

Vertikal verkostet: Gemischter Satz vom Nussberg

Den schönsten Blick auf Wien hat man vom 332 Meter hohen Nussberg, dem bekanntesten Weinberg der Stadt. Von hier stammt Fritz Wieningers Paradewein, ein Gemischter Satz, der in einer beeindruckenden Vertikalverkostung von elf Jahrgängen sein Reifepotenzial bewies.

Vom Stiefkind …

Fast ein Viertel der 640 Hektar Weinreben im Wiener Stadtgebiet wird nach biologischen oder biodynamischen Richtlinien bewirtschaftet. Fritz Wieninger, Mitglied der Gruppe „respekt-biodyn“, leistet dazu einen wesentlichen Beitrag. Der Stammerdorfer Winzer verfügt über fast 70 Hektar Weingärten, großteils am linken Ufer der Donau, am Bisamberg. Schon im Jahr 1999 aber konnte er zu seiner Freude ein paar Hektar Reben rechts der Donau – am renommierten Nussberg – übernehmen. Weniger Freude bereitete Fritz Wieninger damals, dass es sich dabei um einen traditionellen „Gemischten Satz“ handelte – mit bis zu 15 verschiedenen Rebsorten gemeinsam in einem Weingarten. Vor 20 Jahren war „Gemischter Satz“ nämlich völlig out; am Markt gefragt und erfolgreich waren vor allem reinsortige Weine. „Der einzige Vorteil war, dass ich diese Weingärten zu einem moderaten Preis übernehmen konnte“, erzählt der Winzer, der den Gemischten Satz zu jener Zeit ebenfalls wenig zu schätzen wusste. Schon bald sollte er seine Meinung ändern.

… zum Flaggschiff

Fritz Wieninger erinnert sich: „Die Reben am Nussberg waren bereits 1960 gepflanzt worden und sehr gut gepflegt, aber ich hatte keine hohen Erwartungen an die Weinqualität. Deshalb entschied ich mich im ersten Jahr, einzelne Sorten auch getrennt auszubauen. Monate später habe ich die daraus entstandenen Weine im Keller gekostet. Dabei präsentierte sich der Welschriesling ziemlich schön, den Grünen Veltliner fand ich toll und der Weißburgunder erinnerte mich gar an große Elsässer Weine. Zuletzt nahm ich eine Probe vom Gemischten Satz und erlebte die große Überraschung: Das war ein großer Wein im burgundischen Stil. Zum ersten Mal verstand ich, warum ältere Winzerkollegen mir immer wieder vom Gemischten Satz vorgeschwärmt hatten.“
Seither entsteht am Nussberg in jedem Jahrgang ein hochwertiger Gemischter Satz aus neun Sorten – Weißburgunder, Neuburger, Welschriesling, Grüner Veltliner, Sylvaner, Zierfandler, Rotgipfler, Traminer und Riesling. Fritz Wieninger legte damit den Grundstein des zunehmenden Erfolges, den der Wiener Gemischte Satz in den vergangenen Jahren für sich verbuchen konnte. Als Herkunftswein besitzt er seit dem Jahrgang 2013 den DAC-Status und wurde zum Aushängeschild des Wiener Weinbaus.

Alte Reben auf Muschelkalk

Vom Jahrgang 1999 bis zum Jahrgang 2012 trug Wieningers Gemischter Satz die Bezeichnung „Nussberg Alte Reben“. Seit der Einführung von DAC heißt er „Wiener Gemischter Satz Nussberg“ und ab dem Jahrgang 2016 findet man die Lagenbezeichnung „Ried Ulm“ auf dem Etikett. Die Herkunft Ried Ulm bezeichnet den steilen Südhang am östlichsten Teil des Nussberges, direkt neben der Donau, wo die Reben auf Muschelkalk- und Kalksteinverwitterungsboden mit Tonanteil wachsen. Versteinerte Muscheln und Schnecken in weißen Steinen bestätigen den Nussberg als Überrest eines Korallenriffs aus dem Tertiär.
Elf Jahrgänge „Nussberg“ holte Fritz Wieninger aus seinem Keller, die in einer faszinierenden Vertikal-Verkostung einerseits die Jahrgangsunterschiede klar aufzeigten, andererseits eine gemeinsame Linie – das Terroir des Nussbergs – erkennen ließen. Fritz Wieninger: „Die Weine vom Nussberg brauchen Zeit, zeigen dann aber ihre Herkunft hervorragend. Beeren mit Botrytis werden bei uns seit Langem penibel aussortiert. Es geht mehr denn je um Balance, deshalb versuche ich heute als Winzer, einen kühlen Jahrgang ins Wärmere zu drängen und einen warmen Jahrgang ins Kühlere. Der Lesezeitpunkt spielt dabei eine entscheidende Rolle.“

Highlights der Vertikale

Die Vertikal-Verkostung „von jung nach alt“ offenbarte Kraft, Würze, Eleganz und Fruchttiefe als gemeinsame Merkmale der Nussberg-Weine. Den anregenden Jahrgang 2016 prägte seine Jugendlichkeit – kernig, kraftvoll und rauchig, erfrischend balanciert. Als einer der schönsten erwies sich der Jahrgang 2013, der sich bei erster Trinkreife herrlich elegant und komplex präsentierte. Der heiße Jahrgang 2012 ergab dazu ein spannendes Kontrastprogramm und hielt trotz immenser Kraft eine kompakte Spannung und Länge. Als Vertreter eines kühleren Jahrgangs brillierte der 2008er, der feinstrukturiert, pikant und lebendig am Gaumen tanzte. Der Jahrgang 2002 – wunderbar gereift –überzeugte mit feinem Säurebogen, niemals zerfließend, sondern lebhaft und fokussiert.