Lugana – was kann der Weiße vom Gardasee?

Lugana – was kann der Weiße vom Gardasee?

Lugana ist ein Exportschlager und hat zugleich einen Ruf als langweiliger Massenwein. Probiert hatte ich ihn wohl irgendwann – und nur vage in Erinnerung behalten. Eine Pressereise an den Gardasee rückte den Lugana, der übrigens nur auf 700 Hektar gedeiht, in ein neues Licht.

Der Gardasee zählt seit Langem zu den beliebtesten Urlaubszielen von Deutschen und Österreichern. Die lokalen Weine – von Bardolino (rot) über Chiaretto (rosé) bis Lugana (weiß) – gelten gemeinhin als unkompliziert und süffig – perfekte Urlaubsgetränke. Und weil man italienisches Urlaubsfeeling gern mit nach Hause nimmt, hat sich Lugana schon vor Jahrzehnten am deutschen Markt etablieren können; besonders beliebt ist er in Bayern. Tatsächlich exportieren nicht wenige Lugana-Weingüter 80 bis 90 Prozent ihrer Produktion. Eine hohe Nachfrage verleitet natürlich zu hohen Erträgen im Weingarten, was die Qualität nicht gerade fördert. Es heißt auch, dass mitunter leichte Restsüße die Weine aufhübschen soll. Die USA sind ebenfalls ein wichtiger Markt.
In Österreich ist Lugana viel weniger bekannt, und so ging ich bei einer Pressereise im Herbst 2021 recht unvoreingenommen an das Thema heran. Besuche bei neun Weingütern standen auf dem Programm und wir probierten Weine von insgesamt 20 Winzern. Meine drei bleibendsten Eindrücke: überraschend hohe Qualität, aber wenig Bio, dazu ausgefallene Flaschenformen.

Turbiana im Grenzgebiet

Lugana befindet sich am Südufer des Gardasees, wo die Lombardei und das Veneto aneinander grenzen. Die Herkunftsbezeichnung Lugana DOC, 1967 gegründet und eine der ältesten Italiens, umfasst fünf Gemeinden. Zur Lombardei gehören vier, Desenzano del Garda, Sirmione, Lonato und Pozzolengo, die fünfte, Peschiera del Garda, zählt zum Veneto. Nur 700 Hektar umfasst die Lugana-Rebfläche, die fast ausschließlich mit der Sorte Turbiana bepflanzt ist. Die weiße Turbiana hieß früher Trebbiano di Lugana und wurde mit Trebbiano di Soave gleichgesetzt, tatsächlich soll aber hier ein kleiner genetischer Unterschied bestehen. Da der Sortenname „Trebbiano“ in Italien häufig vorkommt – von Trebbiano Toscano, Trebbiano Spoletino bis Trebbiano Abruzzese – vertraut man nun in der Vermarktung auf den in der Umgangssprache ohnehin gebräuchlichen Namen Turbiana. Die Sorte besitzt kompakte Trauben und dickschalige Beeren, ist spätreifend und hält gut die Säure.

Fünf Arten von Lugana

Lugana gibt es insgesamt in fünf verschiedenen Versionen, doch mehr als 90 Prozent der Produktion stellt Lugana der Basis-Stufe dar: Lugana DOC – aromatisch eher „neutral“, aber trinkfreudig. Die nächste Stufe, Lugana Superiore DOC, muss mindestens ein Jahr am Weingut lagern, soll mehr Struktur, Komplexität und Reifepotenzial zeigen. Die Weiterentwicklung des Superiore ist die Lugana Riserva, die erst 2011 eingeführt wurde und vor dem Verkauf mindestens zwei Jahre reifen muss. Die Riserva-Weine besitzen wie erwartet mehr Kraft, Schmelz und Fülle, sind nicht selten im Holz ausgebaut. Lugana Vendemmia Tardiva, eine Spätlese, ist eine recht seltene restsüße Spezialität, für welche die Trauben sehr lange, bis Ende Oktober oder November, am Stock hängen und im Gegensatz zu einem Passito keinem Trocknungsprozess unterliegen. Last, but not least kommen wir zum Lugana Spumante, dessen winzige Mengen angesichts des allgemeinen Schaumwein-Trends etwas zulegen. Dennoch schafft es Lugana Spumante kaum über die Landesgrenzen hinaus, da die Italiener sich immer mehr für prickelnde Spezialitäten begeistern. Hergestellt wird Lugana Spumante entweder nach Methode Charmat (Zweite Gärung im Drucktank) oder nach Klassischer Flaschengärung, die mehr Eleganz und Feinheit bringt.

Kompakte Lehmböden und viel Feuchtigkeit

Die Gegend südlich vom Gardasee ist flach, viele Weingärten liegen in der Ebene auf fruchtbaren Böden mit hohem Lehmanteil. Sie sind kalkhaltig, aber auch sehr kompakt und neigen zu Verdichtungen, werden also rasch hart und lassen sich dann nur sehr schwer bearbeiten. Der Lehm, der zum Teil von Gletschermoränen der letzten Eiszeit stammt, verleiht dem Lugana auch auch Körper, Struktur und eine feine salzige Mineralität, die in vielen Weinen spürbar ist, genauso wie die frische Säure und eine zarte Mandelnote. Mit hohem Qualitätsanspruch und erfrischend trockenen Weißweinen arbeiten die Weingüter konsequent an einer Image-Verbesserung von Lugana. Dass die Weine auch lagerfähig sind, bewiesen mehrere sehr schön gereifte Exemplare bei den Verkostungen vor Ort.
Die Nähe zum See bringt Lugana eine hohe Luftfeuchtigkeit und damit hohen Pilzdruck. Zum Glück wirkt der See wie ein Kanal für den Wind, der die Weinberge auch rasch trocknet. Mit Bioweinbau haben die Weingüter noch wenig Erfahrung und auf Nachfrage winken die meisten Winzer bei dem Thema skeptisch ab. Ein paar wenige versuchen es aber doch.

Empfehlungen mit Bio-Tendenz

Biozertifiziert ist beispielsweise das Weingut Marangona in Pozzolengo, dessen Lugana elegant und ausdrucksstark eines der Highlights des Gebietes ist. Andere Weingüter arbeiten in Richtung Bio, wenngleich sie keine Zertifzierung besitzen oder anstreben, wie zum Beispiel Cascina Maddalena, ein kleines Familienweingut mit nur vier Hektar Rebfläche in Sirmione. Familie Zordan macht hier kompromisslos trockenen Lugana, der herrlich erfrischend, balanciert und straff am Gaumen ist, zudem feine salzige Mineralität spüren lässt.
Filippo Bottacinis Weingut Corte Sermana zählt ebenfalls zu den aufstrebenden Betrieben. Corte Sermana liegt in Peschiera del Garda, nur wenige hundert Meter vom südlichen Seeufer entfernt. Sechs Hektar Weingärten sind aussschließlich mit der Sorte Turbiana bepflanzt. Der Winzer vermeidet chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und orientiert sich am Sanften Rebschnitt. Neben dem brillanten Lugana DOC „Cromalgo“ gibt es sich auch zwei sehr gute Schaumweine im Sortiment, den frischen geradlinigen Lugana Brut Le Palafitte und den Spumante Le Pintade nach Metodo Classico, anregend trocken mit nur zwei Gramm Dosage.
Das Weingut Perla del Garda liegt in Lonato auf einem Moränenhügel. Die Geschwister Giovanna und Ettore Prandini kelterten 2006 ihren ersten eigenen Jahrgang, vorher wurde an eine Kellerei verkauft. Mangels Erfahrung führt man die Umstellung auf Bio sehr langsam durch, aber ein kleiner Teil der Rebfläche ist bereits zertifiziert. Die Weine von Perla del Garda besitzen durchwegs Persönlichkeit und eine sehr gute Struktur. Perla del Garda ist außerdem eines jener Weingüter, die mit ungewöhnlichen Flaschenformen auffallen. Obwohl die dickwandige bauchige Flasche inzwischen zu einem Markenzeichen wurde, soll sie bald umdesignt werden – im Zeichen von zunehmendem Umweltbewusstsein.