Brunello di Montalcino vom Jahrgang 2015 beeindruckt mit viel Finesse. Bei einer Vertikalverkostung von Val di Sugas Vigna Spuntali ließ der 2015er Parallelen zum 1988er erkennen und deutet damit genau in jene Richtung, in die es weitergehen soll.
Andrea Lonardi, wohl einer der hellsten Köpfe der italienischen Weinbranche, ist operativer Leiter der Bertani Domains. Zu dieser Gruppe gehören sechs renommierte Weingüter, das namensgebende Weingut Bertani im Veneto, Puiatti im Friaul, Fazi Battaglia in den Marken sowie drei Weingüter in der Toskana – San Leonino im Chianti Classico, Trerose in Montepulciano und Val di Suga in Montalcino.
Ein Besuch auf letzterem, Val di Suga, perfektionierte meinen Aufenthalt bei der zweitägigen Veranstaltung „Benvenuto Brunello“ im Februar 2020, bei welcher die spektakuläre Premieren-Verkostung der neuen Jahrgänge von Rosso (2018) und Brunello di Montalcino (2015) über die Bühne ging. Vom Corona-Virus war zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede, und so gab Andrea Lonardi einer Journalistengruppe tiefgehende Einblicke in das vielfältige Terroir von Montalcino – begleitet von ausgewählten Jahrgängen seines Einzellagen-Brunello „Vigna Spuntali“.
Terroir-Zugang
Montalcinos Weinterroir erweist sich als dreigeteilt. Es gibt die sanften Hügel mit Zypressen im Norden, die tieferen Täler mit Eichenwäldern und die mediterrane, von Macchia und Olivenbäumen geprägte Landschaft im Süden. Alle drei Terroirs gehören ganz der Sorte Sangiovese, unterscheiden sich aber in vielerlei Hinsicht – Klima, Vegetation, Exposition, Geologie und Boden. „Und so braucht jedes seine eigene Herangehensweise. Bei der Arbeit im Weingarten reicht das vom Erziehungssystem bis zum Laubwandmanagement und im Keller von der Mazerationszeit und der Gärtemperatur bis zur Weinreifung“, erklärt Lonardi mit wohlüberlegten Worten, die immer authentisch klingen: „Anstatt irgendwelchen persönlichen Vorstellungen von Wein nachzulaufen, sollte man als Winzer genau jenen Wein machen, den das Terroir hergibt. Das sehe ich als Konzept der Zukunft.“
Vigna Spuntali
Die historische Lage Vigna Spuntali befindet sich auf etwa 300m Seehöhe, am Südwesthang des Hügels von Montalcino, etwa 40 Kilometer vom Meer entfernt. Die sonnig-warme, trockene Riede umfasst 14 Hektar und ist zu 100 Prozent mit Sangiovese bepflanzt. Den sandig-leichten Boden prägen Meeresablagerungen, aber auch der harte Sandstein Pietra forte im Untergrund. Niemals bringe Sangiovese hier vor Kraft überbordende Weine hervor, sondern zeige immer Eleganz, reife Tannine und feine orangige Noten, versprach Lonardi, was die Vertikalverkostung mit fünf ausgewählten Jahrgängen aus vier Jahrzehnten dann bestätigen sollte.
2015 – 2010 – 2001 – 1995 – 1988
Verkostet wurde von jung nach gereift, vorstellen möchte ich die Weine aber in umgekehrter Reihenfolge und beginne mit 1988, dem allerersten Jahrgang von Vigna Spuntali, der sich als fein gereifter Klassiker mit immer noch faszinierender Lebendigkeit und leichtfüßiger Balance entpuppte.
Der Jahrgang 1995 reifte zu 100% in neuen Barriques und orientierte sich bereits an dem von Robert Parker favorisierten Weinstil mit viel Power und Konzentration. Ein Vierteljahrhundert später präsentierte er sich am Gaumen als wunderbare Verbindung von süßlicher Cremigkeit und Filigranität.
Als Vertreter eines sehr balancierten Brunello-Jahrgangs wurde Vigna Spuntali 2001 mit gutem Säurebiss ins Glas geschenkt. Das Winemaking war damals von längeren Extraktionszeiten gekennzeichnet, was man auch nach fast zwei Jahrzehnten anhand der kernigen Struktur spüren konnte.
Sehr warm und trocken war es im Jahr 2010, sehr früh wurden die Trauben reif. Eine dementsprechend warme Würze und ein herbstlicher Charakter prägten diesen Brunello. Da frühreife Jahre tendenziell rascher altern, hat Andrea Lonardi mit solchen Jahrgängen weniger Freude, denn sein erklärtes Ziel sind eine lange Reifezeit bzw. eine möglichst späte Lese physiologisch reifer Trauben. Er betont: „Sangiovese ist eigentlich keine Sorte mit hohem Tanningehalt, sind aber die Reben gestresst, zum Beispiel durch Trockenheit oder zu intensive Sonneneinstrahlung, dann geraten die Tannine sehr harsch. So bekam Sangiovese den Ruf, eine vom Tannin geprägte Sorte zu sein – denn austrocknende bittere Tannine werden sich nie entwickeln, sie bleiben immer austrocknend und bitter. Zu warme Jahrgänge mag Sangiovese nicht und in Zukunft werden die kühleren Jahre immer interessanter.“
Am Wendepunkt
Der aktuelle Jahrgang 2015 darf nun als Vertreter einer neuen Ära gelten, denn seit ein paar Jahren sollen auch bei Val di Suga Kraft und Intensität in den Hintergrund treten, vielmehr will man zurück zu mehr Eleganz, Finesse und Trinkfluss, aber weniger Holzeinsatz. So stellt der Jahrgang 2015 einen Wendepunkt für Vigna Spuntali dar. Die Gärung erfolgt nun in Betontanks und für die Weinreifung werden nicht mehr ausschließlich Barriques, sondern auch große 2.500-Liter-Fässer verwendet. Seidige Struktur, umwerfende Tiefe und eine elegante Frucht mit getrockneten Kirschen, Orangenschalen und Teenoten kennzeichnen diesen Wein. Selbst Andrea Lonardi zeigt sich zufrieden: „Ich sehe bei 2015 gewisse Ähnlichkeiten zum 1988er und in diese Richtung wollen wir weiterarbeiten. Da herrscht nun Konsens.“
Fazit Brunello 2015
Generell präsentierten sich die Weine des Jahrgangs 2015 bei der Premieren-Verkostung auf sehr hohem Niveau, mit viel Tiefgang und Charme. Val di Suga kann hier als perfektes Beispiel dienen, tatsächlich aber legen nun einige Produzenten wieder mehr Fokus auf die typische Sangiovese-Frucht, den Trinkfluss und die Eleganz. Überextrahierte und überholzte Zeiten neigen sich offensichtlich dem Ende zu, wenngleich es da und dort noch solche Weine gibt. Allgemeine Kennzeichen der 2015er sind feinkörnige, reife Tannine und ihr brillanter Fruchtcharme. Meine persönlichen Favoriten – Brunello di Montalcino von Poggio di Sotto und von Baricci – strahlen eine burgundische Finesse aus, die ihresgleichen sucht.