Vor wenigen Monaten erschien mein erstes Buch. Es erzählt von der Vielfalt der österreichischen Weinlandschaft in 111 kurzen, unterhaltsamen und informativen Geschichten.
Gemeinsam mit der Weinjournalistin Luzia Schrampf habe ich das Buch „111 Weine aus Österreich, die man getrunken haben muss“ geschrieben. Es fiel uns keineswegs leicht, die österreichische Weinvielfalt anhand von „nur“ 111 Beispielen darzustellen. Wir haben unzählige tolle Weine gemeinsam verkostet, besprochen, in Erwägung gezogen und nicht wenige mussten wir aufgrund des Limits schweren Herzens wieder weglassen. Irgendwann aber hatten wir unsere 111 Weine zusammen, bei denen es weniger um eine Verkostungsnotiz oder bestimmte Jahrgänge geht, sondern vielmehr um die Beschreibung von Ideen, Gegebenheiten und Geschmack.
Das Autorinnen-Duo ist sich einig: Eine der schönsten Geschichten im Buch kommt aus Rust im Burgenland. Es ist jene über Michael Wenzels Furmint – und diese soll hier als kleine Leseprobe dienen:
Reben-Schmuggel
Furmint Ried Vogelsang
Lediglich drei alte Lieder beherrschte der Großvater auf dem Tárogató, einem traditionellen ungarischen Holzblasinstrument. Die reichten aber als Ablenkung bei der Grenzkontrolle am Eisernen Vorhang zwischen Österreich und Ungarn im Jahr 1984 völlig aus. Die Grenzwache empfahl dem musizierenden Großvater entsetzt, mit dem Spielen der im Kommunismus verbotenenen ungarischen Volkslieder aufzuhören – und winkte ihn mit seinem Sohn ohne weitere Kontrolle durch. So schmuggelten Michael Wenzels Vater und Großvater Edelreiser von Furmint über eine an sich geschlossene Grenze. Vom Potenzial dieser in Vergessenheit geratenen Rebe – einst eine der wichtigsten Weißweinsorten der Donaumonarchie – waren die Wenzels nämlich überzeugt und pflanzten den ersten Furmint-Weingarten in Rust 1985 wieder aus.
Michael, der heute in zwölfter Generation das Weingut führt, sagt von sich: »Die Weinphilosophie habe ich in Frankreich gelernt, das Weinhandwerk in Neuseeland, an das Weinpotenzial im Burgenland glaube ich.« Der Winzer schätzt die autochthone Sorte nicht weniger als seine Vorfahren, machte sie zu seinem Aushängeschild und keltert zum Niederknien guten trockenen Furmint. »Es gibt nicht viele Sorten, die im warmen Klima des Burgenlands so eine Frische halten können. Furmint reift spät und langsam – ideal«, schwärmt der Sorten-Spezialist.
»Aus dem Quarz« heißt sein feiner, erfrischender Einstiegs-Furmint, mehr Stoff bieten die Lagen »Vogelsang« und »Garten Eden«. Der Vogelsang stammt von der ursprünglichen Furmint-Pflanzung des Vaters. Auf dem Etikett ist der Blaue Quarz abgebildet, der in den Gneis- und Glimmerschieferböden immer wieder zum Vorschein kommt. Der Wein besitzt eine kühle Frucht, tritt ohne Kitsch auf, ist würzig, lebendig und kompakt. Er besitzt Spannung, Kern und Länge. An die zehn Hektar Furmint gibt es nun wieder in der Gegend um Rust, Tendenz steigend.