Dass 2019 ein Topjahrgang für Barolo ist, zeigte sich schon im Januar 2023 bei der Nebbiolo Prima. Nun sind die Weine auf dem Markt und glänzen durch das perfekte Zusammenspiel von Struktur, Tiefgang und Finesse. Großes Kino!
Die exklusive Weltpremiere der neuen Jahrgänge von Barolo, Barbaresco und Roero – die sogenannte Nebbiolo Prima – findet alljährlich in Alba im Piemont statt. An vier Tagen Ende Januar verkosten dabei 30 bis 40 Weinjournalist:innen aus der ganzen Welt über 300 Weine in einer perfekt organisierten Blindverkostung.
Das Hauptaugenmerk galt diesmal Barolo vom Jahrgang 2019, welcher mittlerweile überall im Verkauf ist. Höchste Zeit für eine Rekapitulation. Die Kurzfassung: Für Barolo-Fans ist der Jahrgang 2019 ein Muss! Die Weine präsentieren sich klassisch – ungeheuer strukturbetont, also langlebig, gleichzeitig aber mit viel Frucht, feiner Frische und nicht allzu hohen Alkoholwerten. So offenbarte die Nebbiolo Prima eine enorm hohe Durchschnittsqualität. Zum frühen Zeitpunkt des Tastings präsentierten sich nicht wenige der insgesamt 188 Proben von Barolo 2019 noch recht verschlossen, dennoch wurde deutlich, dass die Balance hier ganz einfach stimmt.
Der Jahrgang 2019
Für das Barolo-Gebiet brachte das Frühjahr 2019 endlich den ersehnten Regen, der nach einem sehr trockenen und langen Winter etwas Erleichterung brachte. Das instabile Wetter hielt bis in den Mai an und verzögerte im Vergleich zu den warmen Vorjahren das Wachstum der Reben und sorgte für etwas geringeren Fruchtansatz. Die Vegetation holte aber bereits im Juni wieder auf, und der eher gemäßigte Sommer mit etwas Niederschlag brachte nur zwei kleinere Hitzewellen (Ende Juni und Ende Juli). Von einem Hagelsturm im September war Barolo glücklicherweise nur teilweise betroffen, der Mengenrückgang blieb gering.
Die Nebbiolo-Trauben wurden in der zweiten Oktoberhälfte geerntet, wie es traditionell üblich ist. So wiesen die Moste recht „klassische“ Werte in Bezug auf die strukturgebenden Polyphenole sowie die Säure auf. Die Weine zeichnen sich durch ausgereifte Tannine und durchschnittliche Alkoholgehalte aus.Viele bezeichnen den Jahrgang 2019 deshalb als „großen Klassiker“ – vielleicht der letzte im Angesicht der Klimakrise. Barolo 2019 lässt bei aller Struktur und Dichte weder Frucht noch saftige Frische missen, faszinierende Finesse geht mit unheimlichem Tiefgang und grandiosem Reifepotenzial einher.
Herkunft Barolo
Der Ort Barolo ist Namensgeber einer Herkunft, zu welcher insgesamt elf Gemeinden südlich von Alba im Piemont zählen. Als die wichtigsten gelten neben Barolo selbst: La Morra, Monforte, Serralunga d’Alba und Castiglione Falletto. Kleinere Mengen erzeugen Novello, Grinzane Cavour, Verduno, Diano d’Alba, Cherasco und Roddi. Die Böden im Nordosten, also in Verduno, La Morra und Barolo, sind von kalkhaltigem Mergel geprägt (Tortonium). Weinen dieser Herkunft wird die größte Eleganz zugeschrieben. In Monforte, Serralunga d’Alba und Castiglione Falletto basieren die Böden auf Sandstein (Helvetium oder Serravillian); sie sind schwerer und kompakter. Weine, die hier gewachsen sind, besitzen die mächtigste Struktur, viel Kraft und brauchen längere Reifezeit.
Doch Geologie ist eine Sache, die andere ist der Stil eines Weinguts. Die übliche Einteilung der Weingüter in „modern“ (u.a. viel Barrique) und „klassisch“ (großes Holzfass) ist mittlerweile obsolet. Denn modern ist heute, mit weniger Barrique zu arbeiten und sehr behutsam mit dem Holzeinsatz sowie mit der Extraktion umzugehen. Dies spielt gerade bei der Sorte Nebbiolo eine entscheidende Rolle. So Weine glänzen die Weine heute eher durch Frucht und florale Noten anstelle von Holzaromen und die Sorte Nebbiolo kommt bestens zum Ausdruck. Bei einigen Weingütern wird zudem ein gewisser Anteil an Stielen mitvergoren (whole cluster), um den Weinen mehr Spannung und Frische mitzugeben.
Highlights Nebbiolo Prima 2023 (Blindverkostung)
Giovanni Sordo Barolo Monprivato 2019 (Castiglione Falletto): Sehr eleganter Duft mit viel Kirsche, gelben Rosinen und zart Veilchen. Am Gaumen strukturbetont mit extrem feinen Tannine, die für eine feinsamtige Textur sorgen; noch verhaltenes Aromenspiel, florale Noten immer präsent, sehr stimmig, spielt mit atemberaubender Finesse in die Tiefe, feine Frische im Abgang. Großes Kino.
Rinaldi Francesco & Figli Barolo Rocche dell’Annunziata 2019 (La Morra): Heller Charakter mit Kirschen und Blutorangen, Highlight von der 30-Hektar-Lage Rocche dell’Annunziata. Feiner Säurebogen, Veilchen und ein Hauch von Wiesenchampignons, tolle feste Tannine, sehr präsent, doch nie störend. Extrem jung, doch herrlich fokussiert, mit mineralischem Unterbau und großer Länge.
E.Pira & Figli Barolo Cannubi 2019 (Barolo): Großartiger Vertreter der berühmten Lage Cannubi nordöstlich des Ortes Barolo. Die Nase strahlt mit heller Rotbeerigkeit und Kirschfrucht, dann feine Himbeeren und gelbe Zwetschken. Schöne anregende Frische am Gaumen, feinstrukturiert mit eleganten, fest eingbauten Tanninen, die noch etwas ungestüm wirken, deutet großes Potenzial an.
Poderi Luigi Einaudi Barolo Bussia 2019 (Monforte d’Alba): Vielschichtiger Duft mit einem feinen Mix von Kirsch-Himbeer-Brombeer, dann florale Noten, helle Blättrigkeit und eine Spur Tabak. Animierende Frische am Gaumen, langer Säurebogen und feinkörnige, reife Tannine, feste Struktur, balanciert und finessenreich. Schöner Griff, blütige Noten in der Nase spielen wunderbar auch am Gaumen, die jugendlichen Tannine fordern noch, feine Länge.
G.D. Vajra Barolo Bricco delle Viole 2019 (Barolo): Florale Noten betören schon im Duft, dazu etwas Heu und feine rotbeerige Frucht von Kirschen und Himbeeren. Feingliedrig, komplex und elegant gebaut, sehr hohe Tanninqualität, seidige Textur, anregendes Säurespiel, baut Spannung am Gaumen auf. Schwebend leichtfüßig, kühle Würze, der florale Charakter zieht sich bis in den Abgang durch, feinmineralische Länge.
Mario Gagliasso Barolo Rocche dell’Annunziata 2019 (La Morra): Veilchen und Zwetschken, dunkle Fruchtnoten, noch verschlossen in der Nase. Mächtig und schön pikant am Gaumen, bei aller Kraft mit anregender Frische ausgestattet, etwas Waldwürze, Moos und wieder viel dunkle Frucht, hat ordentlich Tiefgang, braucht viel Zeit.
Vietti Barolo Ravera 2019 (Novello): Feinwürziger Duft mit Cassis und Lavendel. Sehr strukturbetont, noch verschlossen und karg. Zeigt Kraft, jugendlich raue Tannine und viel Würze am Gaumen, hat Zug, Fokus und Spannung, spielt aber noch nicht wirklich. Genügend Zeit geben.
Fratelli Alessandria Barolo Gramolere 2019 (Monforte d’Alba): Faszinierendes Fruchtspiel zwischen Zwetschken und Kirschen, dazu eine Spur Moos und Grafit. Sehr elegant und anregend, in Saftigkeit eingebettete Tannine, Noten von Teer, mineralischer Grip, muskulös und tänzerisch, doch noch verschlossen, viel Potenzial. Gramolere befindet sich auf 450 Metern Seehöhe, den Kalkstein im Untergrund bedeckt eine leichte Sandauflage.
Fratelli Abrigo Barolo Ravera 2019 (Novello): Ravera ist ein kühlere Lage. Rotbeerig, feinfruchtig und ein Hauch von blättrigen Noten in der Nase. Am Gaumen siegen Finesse und Eleganz, wenngleich viel reifes Tannin noch fordert. Hält gekonnt die Balance mit wunderschöner Struktur.
Castello di Verduno Barolo Monvigliero 2019 (Verduno): Floral, Fresien, sehr duftig, dann Himbeeren und Orangengelee. Heller leichtfüßiger Charakter mit Kraft und Eleganz, feinster Stoff, sehr hohe Tanninqualität, engmaschig, feiner Fruchtschmelz, animierende Frische im Abgang, langer Nachhall.
Oddero Barolo Villero 2019 (Castiglione Falletto): Kirschen und Weichseln, etwas Tabak, Sanddorn, vielschichtige kühle Frucht. Elegant, finessenreich und wunderschön balanciert am Gaumen, mineralische Anklänge, eigenständiger, nobler Charakter, feste, reife Tannine, sehr anregendes Finish.