Weine aus Kärnten, Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg firmieren unter „Bergland“. Immer häufiger begegnet man dort ausgezeichneten Weinen. Entdeckungsreise in die klimatischen Grenzlagen des österreichischen Weinbaus.
Gerade mal 200 Hektar Weingärten gibt es derzeit in der österreichischen Weinbauregion Bergland. Das ist sehr wenig, und obwohl die Rebflächen in Kärnten, Oberösterreich, Tirol, Vorarlberg und Salzburg kontinuierlich wachsen, bleiben Bergland-Weine echte Raritäten, die zum Teil nur im Ab-Hof-Verkauf oder in der lokalen Gastromonie zu haben sind. Viele Bergland-Winzer kultivieren ihre Reben nach wie vor als Hobby.
Am besten etabliert ist der Weinbau heute in Kärnten, zum Beispiel im Lavanttal, in St. Veit an der Glan und am Längsee. In den Hanglagen zwischen 400 und 750 Metern Seehöhe treiben die Reben spät aus und es regnet mindestens doppelt so viel wie im Burgenland.
Blütezeit und Niedergang in Kärnten
„Es wächst daselbst, weil es etwas kalt Land ist, kein Wein“, schrieb der Chronist und Reisende Johann Jakob Fugger im Jahr 1668 (Thomas Zeloth, 2.000 Jahre Weinbau in Kärnten, 2018). Er irrte sich, denn im Lavanttal und im Jauntal gab es damals genug Weingärten. Allerdings dürfte die Qualität der Weine nicht immer überzeugt haben. Legenden zufolge pflegte der Messner der Kirche in Sittersdorf um Mitternacht die Kirchglocken zu läuten, um die Einwohner daran zu erinnern, sich beim Schlafen auf die andere Seite zu drehen, damit die Säure des Weines nicht zu sehr die Magenwände angreift.
In der Blütezeit des Kärntner Weines im 16. Jahrhundert gab es wohl zwischen 750 und 1.000 Hektar Reben. Weinbauzentren waren nicht nur das Lavant- und Jauntal, sondern auch das nördliche Klagenfurter Becken, Launsdorf, Thalsdorf, St. Georgen am Längsee sowie Millstatt. Eine gängige Sorte soll damals der Blaue Wildbacher gewesen sein. Als im 18. Jahrhundert einerseits die Zölle für Importweine fielen, andererseits der Wein höher besteuert wurde, verlor der Weinbau rasch an Bedeutung. 1788 war die Rebfläche auf 130 Hektar gesunken, 1830 betrug sie nur noch 66 Hektar. Schließlich fielen gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Weingärten dem Falschen Mehltau zum Opfer und der Kärntner Weinbau kam quasi zum Stillstand.
Weinbau im Seenparadies
Als „Erfinder des modernen Kärntner Weinbaus“ gilt Herbert Gartner, der aus der burgenländischen Weinbaugemeinde Illmitz stammend 1972 den ersten Weingarten in St. Andrä im Lavanttal pflanzte. Das Weingut Gartner ist auch heute ein Leitbetrieb der Region. Im Jahr 2003 wurde schließlich der Kärntner Weinbauverband gegründet, 2006 das Weinbaulandesgesetz verabschiedet und die Rennaissance des Kärntner Weinbaus eingeleitet. Die weißen Burgundersorten und Sauvignon Blanc gelten als Leitsorten, dazu kommen Riesling, Traminer, Zweigelt, Blauburgunder, ein wenig Muskateller und Gemischter Satz. Nach einer Phase der Pionierarbeit durch die Hobbywinzer, folgt nun eine Professionalisierung und die Etablierung größerer Weingüter.
Paradebeispiel für Weinbau im großen Stil ist die Burg Taggenbrunn bei St. Veit, 2011 gekauft vom Unternehmer Alfred Riedl (Jacques Lemans Uhren), heute ein Weingut mit 40 Hektar Reben. „Die Auspflanzung der Weingärten erfolgte sukzessive“, erklärt Hubert Vittori, der Kellermeister von Taggenbrunn. „Super interessant ist, dass wir hier mit so vielen verschiedenen Lagen arbeiten können – Terrassen, Steillagen, mittlere Lagen bis hin zur Ebene. Eine Herausforderung bleiben in Kärnten auf jeden Fall Klima und Wetter, aber wir wissen heute, dass Top-Qualität möglich ist, denn das Klima hat sich verändert. Zu verbessern gilt es vor allem die Wahrnehmung von Kärntner Wein.“
Oberösterreich erwärmt sich für Wein
Weinberg, Weinzierl, Weinfeld, Weingartler oder Weinbergleiten – vom oberen Mühlviertel bis weit ins Innviertel und sogar im Salzkammergut gibt es viele alte Orts-, Haus- und Flurnamen, die darauf hinweisen, daß auch in Oberösterreich einst nennenswert Wein kultiviert wurde. Nach seinem Verschwinden im 19. Jahrhundert war der Weinbau lange Zeit passé, doch die Klimaveränderung gibt ihm nun wieder größere Chancen. Höhere Temperaturen, längere Schönwetterperioden, früherer Beginn der Vegetation – der oberösterreichische Weinbau ist ein „Krisengewinnler“ und kehrt damit in jene Regionen zurück, wo es noch im späten Mittelalter Weingärten gab. Fast 80 Hektar Reben liegen heute an den sonnigen Standorten des Donautals, des Machlands, des Linzer Gaumbergs, am Rand des Eferdinger Beckens, im oberösterreichischen Zentralraum, im hügeligen Innviertel, in luftigen Lagen des Mühlviertels und auch im Süden des Salzkammergutes. Etwa 40 Winzer keltern vorwiegend fruchtig-frische Weißweine, zum Beispiel Grünen Veltliner, Chardonnay oder Weißburgunder, auch Zweigelt und die widerstandsfähige Piwi-Sorte Roesler sind wichtig.
Höchste Qualität im rauen Tirol
Die klimatischen Veränderungen befeuern auch den Weinbau in Nordtirol. Die Trauben reifen hier generell drei bis vier Wochen später als zum Beispiel in Niederösterreich. Ein paar sehr aktive Winzer sind im Tiroler Oberland zuhause und als Hotspot gilt der Bezirk Imst mit den Orten Haiming, Tarrenz und Silz; auch in Telfs, Innsbruck und im Zillertal wurden Reben gepflanzt. Auf etwa 15 Hektar Rebfläche überwiegen die Burgundersorten.
Das Weingut Zoller-Saumwald liegt in Haiming, etwa 40 Kilometer westlich von Innsbruck, wo das bis 2.370 Meter aufragende Tschirgant-Massiv die Landschaft prägt. In steilen Lagen ab 660 Meter Seehöhe bearbeiten Peter Zoller und Elisabeth Saumwald 1,7 Hektar Reben. „Unsere steilen Südlagen befinden sich am Fuß des Tschirgantmassivs. Der Boden ist ein leicht erwärmbarer, lockerer und durchlässiger Schotter-Kalkboden, durchzogen mit Muschelkalkablagerungen – ideal für Burgundersorten wie Pinot Noir“, sagt Peter Zoller, und weiter: „Die über 1.000 Meter hohe Felswand hinter den Weingärten wärmt sich tagsüber auf und gibt diese Wärme am Abend wie ein Ofen an die Reben ab.
Die lange Vegetationsperiode schenkt den Stöcken mehr Zeit, wertvolle Aromastoffe in die Beeren einzulagern.“ Zoller-Saumwald steht nicht nur für eleganten Cool-Climate-Pinot-Noir, sondern auch für straff-mineralischen Chardonnay und kühlen, knackigen Sauvignon blanc. Peter Zoller: „Die Menge war uns nie wichtig, es geht kompromisslos um Qualität, die wir nach Möglichkeit noch steigern wollen. Das Vorurteil, dass Weine aus dem Tiroler Gebirgsklima keine gute Qualität bringen, haben Blindverkostungen schon oft widerlegt.“
Vorarlberg als Geheimtipp
Im äußersten Westen Österreichs glänzt das Ländle nicht nur mit Skigebieten, Käse und den Bregenzer Festspielen, sondern überraschenderweise auch mit feinen Weinen. Um 1850 gab es laut Schätzungen 400 bis 500 Hektar Weingärten in Vorarlberg, heute stehen nur 20 Hektar unter Reben. Das Weingut Nachbaur aus Röthis im Bezirk Feldkirch keltert ausgezeichnete Weine von Riesling, Chardonnay, Weißburgunder und Blauburgunder. Der Stil ist kühl, straff und elegant. „Die Burgundersorten haben hier Geschichte und passen perfekt auf die kalkhaltigen Böden. Den Leuten aber bewusst zu machen, dass es hier guten Wein gibt, ist eine Herausforderung. Selbst vielen Vorarlbergern ist das noch völlig unbekannt,“ sagt Michael Nachbaur. Sein Vater Franz begann schon in den 1980er Jahren mit dem Weinbau – biologisch, und seit einigen Jahren sind die zwei Hektar Rebfläche auch biozertifiziert. Hier entstehen exzellente Bergland-Weine.