Extrem angesagt ist die Côte des Bar im Süden der Champagne bei jenen, die feine Winzerchampagner abseits vom Mainstream suchen.
Vier Hauptanbaugebiete besitzt die Champagne: die Montagne de Reims, das Vallée de la Marne, die Côte de Blancs (inkl. Côte de Sézanne) und schließlich die Côte des Bar – auch Aube genannt – mehr als 100 Kilometer südlich der Champagner-Zentren Reims und Épernay.
Von zweitklassig…
Massive Bestrebungen, die Côte des Bar von der Champagner-Appellation auszuschließen, gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts, denn die Champagner-Hersteller im Norden erachteten das, was ihre Kollegen weit abgelegen im Süden produzierten, als minderwertig. Nur anhaltende Proteste und sogar Aufstände der Aube-Winzer konnten dafür sorgen, dass das Gebiet 1927 endgültig als Teil der Herkunft Champagne AOC anerkannt wurde. Dennoch blickte der Norden – und auch der Rest der Welt – weiterhin mit Skepsis in Richtung Süden, wo Wein- und Traubenqualität als zweitklassig galten.
… zu hochgefragt
Seit ein paar Jahren ist alles anders. Die feinen Pinot-noir-Qualitäten der Aube sind nicht mehr nur bei den Häusern im Norden als Strukturgeber für ihre Cuvées gefragt, sondern immer öfter die Grundlage des Erfolges für zahlreiche Winzerchampagner an der Côte des Bar – von kleinen Herstellern, die außerdem zunehmend auf biologischen oder biodynamischen Weinbau setzen, alte Rebsorten wiederbeleben, den knochentrockenen Brut-nature-Stil forcieren oder etwa den Schwefeleinsatz reduzieren.
So entstand eine äußerst lebendige Winzerszene, deren charakterstarke Schaumweine in Fachkreisen begeistern. Ihre Bekanntheit sowie die Zahl der Fans eines individuellen und terroir-geprägten Champagner-Stils steigen ständig. Ganz nebenbei hat sich die Côte des Bar zeitgemäß zu einem Zentrum des Bioweinbaus entwickelt, und so sorgt das lange Zeit im Schatten der Montagne de Reims und der Côte des Blancs gestandene Gebiet für enorm viel Bewegung in der Champagne. Auch die Rebfläche nahm in den vergangenen Jahren zu und ein Viertel der Champagne-Produktion stammt heute von der Aube.
Terroirbetont
Pinot noir stellt an der Côte des Bar mit 85 Prozent ganz klar die Hauptsorte, die hier strukturbetonte Weine mit frischer Säure, aber auch mit Frucht und Volumen hervorbringt. Auch Chardonnay kommt vor – zum Beispiel in der Chardonnay-Enklave Montgeux, ein paar Prozent Pinot meunier und außerdem einen Trend zu jenen Sorten, die in der Champagne zwar zugelassen sind, aber fast in Vergessenheit geraten waren: Pinot blanc, Arban(n)e, Pinot gris und Petit Meslier.
Die Aube dominiert kein Rebenmeer, sondern eine abwechslungsreiche Landschaft mit Wäldern, Feldern, kleinen Flüssen und Weingärten. Das Terroir ist von Kalk geprägt, doch ganz anders als die Kreideböden an der Côte de Blancs. Die Côte des Bar grenzt nämlich an die Bourgogne und wie in Chablis trifft man hier den berühmten, harten Kimmeridge-Kalk sowie Kalkmergel.
Neue Champagner-Stars
Wahrscheinlich förderte gerade die ursprüngliche Underdog-Position der Aube die kleine Rebellion der jüngeren Winzergeneration, die hier ohne Gedanken an Traditionen und Althergebrachtes agieren kann, jede Menge neue Ideen und Konzepte entwickelt. Die Experimentierfreude der Winzer brachte das Potenzial der unterschätzten Region ans Tageslicht, zudem sind Weingärten für junge, ambitionierte Produzenten an der Côte des Bar gerade noch leistbar.
Einer der Stars von der Côte des Bar ist Olivier Horiot, der seit 2000 eigenen Champagner herstellt und seit 2010 seine Weingärten biodynamisch pflegt. Aus fünf Rebsorten besteht seine Cuvée „5 Sens“ brut nature: Pinot Noir, Chardonnay, Pinot Blanc, Petit Meslier und Arbanne. Eine ganz besondere Spezialität stellt der sortenreine Champagner von der säurereichen Arbanne dar.
Bertrand Gautherot hat den Namen seines Fünf-Hektar-Weinguts von zwei Weinbergsparzellen abgeleitet: Vouette et Sorbée. Auch er arbeitet biodynamisch und vinifziert einzigartig strukturbetonte Champagner. Der Blanc des Noirs „Fidèle“ und der Chardonnay „Blanc d’Argile“ gelten bei Champagner-Freaks bereits als Klassiker. Die Grundweine des sortenreinen Pinot blanc „Textures“ werden in Amphoren ausgebaut.
Südlich der Stadt Bar-sur-Seine liegt die Ortschaft Polisot, wo Dominique Moreau 2006 unter dem Namen ihrer Großmutter Marie Courtin ihren Betrieb gegründet hat. Sie erzeugt hochfeine Einzellagen- und Jahrgangs-Champagner und ist seit zehn Jahren biozertifiziert. Ihr Ehemann Roland Piollot von Piollot Père et Fils macht mit dem „Colas Robin“ Brut nature sortenreinen Pinot-blanc-Champagner mit Charme, wunderbarer Eleganz und Eigenständigkeit.
Als Biopionier der Aube darf Jean-Pierre Fleury gelten, als weitere Spitzenproduzenten Benoit Lahaye, Cedric Bouchard, Vincent Couche und viele mehr.