Eine jahrzehntelang vernachlässigte Weißweinsorte feiert ein kleines Revival. Manche nennen sie „launische Diva“, andere „trendige Ur-Ahnin“.
Viel gibt es nicht. Die Rebfläche der altösterreichischen Sortenspezialität Roter Veltliner schrumpfte in den vergangenen fünfzig Jahren auf unter 200 Hektar. Sie ist in Niederösterreich zu Hause, ihr Paradegebiet ist der Wagram, aber auch im Weinviertel und mitunter im Kamptal und Kremstal taucht sie auf.
Zweifach irreführend
Der Name lässt zwar das Gegenteil vermuten, aber erstens ist Roter Veltliner eine Weißweinsorte – auch wenn sich die Beeren bei Vollreife hellrot färben – und zweitens besteht keine Verwandtschaft zum Grünen Veltliner. Genetisch beteiligt ist Roter Veltliner dafür an Neuburger, Rotgipfler, Zierfandler und Frührotem Veltliner – als Elternteil – und gilt als eine der ältesten, wenn nicht als die älteste, autochthone Rebsorte Österreichs. Ziemlich sicher kam sie mit den Römern ins Land, wenn auch ihre genaue geografische Herkunft im Dunkeln liegt.
Als spätreifende Sorte bevorzugt sie warme Weinbergslagen und könnte in Zeiten der Klimaerhitzung im Vorteil sein, denn Hitze und Trockenheit verträgt sie ausgezeichnet. Roter Veltliner fühlt sich auf Löss bzw. auf gut drainagierten, sandigen bis schottrigen Böden wohl. Gerade auf kargen Böden, die das Wachstum auf natürliche Weise begrenzen, kommt die von Natur aus sehr wüchsige Rebe bestens zurecht.
Anspruchsvoll
„Ein Hektar Roter Veltliner ist so viel Arbeit wie drei Hektar Grüner Veltliner“, wird der Wagramer Winzer Franz Leth gerne zitiert und dass Roter Veltliner enormen Arbeitsaufwand im Weingarten bedeutet, bestätigen alle Winzer, die sich mit der Sorte beschäftigen. Die Triebe der Rebe ranken sich schlecht an, sodass es im Drahtrahmen zur Unterstützung mehr Drahtpaare als bei anderen Sorten braucht. Intensive Laubarbeit und Ertragsregulierung sind fast immer notwendig.
„Roter-Veltliner-Trauben sind in der Regel sehr kompakt und anfällig für Botrytis. Im Herbst besteht große Gefahr, dass die Beeren aufplatzen und die Fäulnis rasch um sich greift“, erklärt Birgit Eichinger, Winzerin im Kamptal. Die Mehrarbeit und schwankende Erträge schreckten Winzer jahrzehntelang ab sich der „launischen Diva“ zu widmen, dennoch verschwand Roter Veltliner nie ganz von der Bildfläche. Nun steigt die Rebfläche wieder leicht an.
Spezialist am Wagram
Einer, der sich seit langen Jahren konsequent für den Roten Veltliner einsetzt und ihn früh zur Leitsorte seines Weingutes aufgebaut hat, ist Josef Fritz in Zaußenberg. Der Wagramer Winzer vinifiziert seine Lieblingssorte heute in fünf Varianten. Als mittelgewichtigen Einstiegswein gibt es den fruchtbetonten Roten Veltliner Wagram Terrassen, deutlich mehr Anspruch und Kraft haben die drei Lagenweine – Ried Mordthal, Ried Steinberg und Ried Steinberg Privat. Besonders die südausgerichtete Lage Steinberg bezeichnet Josef Fritz als ideales Terroir für den Roten Veltliner – mit trockenen Böden vom roten Tertiärschotter und viel Wärme.
Seine auf der Maische vergorene Variante „Gondwana“ überzeugt mit saftiger Frucht, feiner Textur und viel Trinkfluss selbst Orange-Wine-Skeptiker. Josef Fritz hofft, den Roten Veltliner bald auf jeder guten Restaurantkarte zu finden: „Das Interesse an der Sorte steigt und das Schöne ist, dass es darüber etwas zu erzählen gibt. Man kann den Roten Veltliner als regionale Spezialität und Nischenprodukt gerade sehr gut positionieren. Die Weine reifen außerdem hervorragend, was die Kunden oft überrascht.“
Aromaprofil und Reifepotenzial
Als „Leichtwein“ vinifiziert wirkt Roter Veltliner oft neutral und geradlinig, zeigt wenig Aussagekraft, aber sobald etwas mehr Extrakt, Kraft und Fülle im Spiel sind, treten ein breites Aromenspektrum und eine beeindruckende Vielschichtigkeit hervor. Feine Würze, Noten von reifem Steinobst bis hin zu Orangen und tropischen Früchten sind typisch. Der Säuregehalt von Rotem Veltliner ist tendenziell höher als jener von Grünem Veltliner und die lebendige Säurestruktur unterlegt die Fülle der extraktreichen Weine mit genügend Frische, sorgt für Trinkfluss und Balance. Roter Veltliner überrascht immer wieder durch sein Lagerpotenzial. Mit den Jahren steigt die Komplexität der Weine, kräuterige und florale Noten kommen hinzu. Zehn oder zwanzig Jahre im Keller verkraften die Lagenweine von Winzern wie Josef Fritz, Franz Leth, Toni Söllner (alle Wagram) und Birgit Eichinger (Kamptal) ganz locker. Besonders die warmen bis heißen Jahrgänge – 2006, 2009 und 2011 – präsentieren sich zur Zeit sehr harmonisch und charakterstark.