Das Weinbaugebiet der Colline Teramane in Mittelitalien prägt die unmittelbare Nähe zum Meer, aber auch zu den Bergen. Im Hintergrund ragt das steile Gebirgsmassiv Gran Sasso, der höchste Teil des Abruzzesischen Apennins, auf über 2.900 Meter Höhe empor – ein beliebtes Schigebiet und der südlichste Gletscher Europas – nur wenige Kilometer von der Adria entfernt. Die mächtige Bergkette ist nicht nur beeindruckende Kulisse, sondern bringt auch Abkühlung für das warme Klima der Colline Teramane, die im Osten an die Adria grenzen. Diese speziellen klimatischen Bedingungen lassen frische Weißweine und balancierte Rotweine entstehen.
Rebellische Insel im Weinsee
Die vor 15 Jahren gegründete Colline Teramane DOCG wirkt als kleine, qualitätsorientierte Insel im riesigen Weinsee der Abruzzen, welcher jährlich rund die doppelte Menge der österreichischen Weinproduktion umfasst. Tatsächlich besitzen 60% der Abruzzen-Weine keine Herkunftsbezeichnung und die Weinproduktion liegt vorwiegend in der Hand großer Genossenschaften. Jede Menge Tankware wird in Norditalien abgefüllt oder wird im großen Stil exportiert. Weine mit dem DOC- oder DOCG-Siegel stellen nur knapp ein Drittel der Menge und selbst der bekannteste Rotwein, der Montepulciano d’Abruzzo DOC, wird häufig unter dem Motto „gut und günstig“ gehandelt.
Ambitionierte, nach Qualität strebende Betriebe haben es angesichts der allgegenwärtigen Massenware immer noch schwer, vernünftige Weinpreise zu erzielen. Die Winzer der Colline Teramane versuchen es. Im Fokus stehen die traditionellen Rebsorten der Region, beim Rotwein ist dies der Montepulciano, beim Weißwein der Trebbiano, aber auch die alten, wiederbelebten Sorten Passerina und Pecorino. Aus Montepulciano wird zudem ein gebietstypischer frischer Roséwein, der Cerasuolo d’Abruzzo DOC, gewonnen.
Wind, Kühle und Pecorino
„Einst waren auch in unserem Gebiet die Erträge hoch und mehr als 60% der lokalen Produktion wurden außerhalb der Abruzzen abgefüllt. So ging die Identität verloren“, analysiert der Winzer Enrico Cerulli-Spinozzi aus Canzano, „aber heute versuchen wir uns auf Herkunft und Qualität zu besinnen.“ Der Montepulciano d’Abruzzo Colline Teramane DOCG darf nur innerhalb der Region abgefüllt werden und die Vorschriften des Consorzio legen den Höchstertrag auf 9.500 Kilogramm pro Hektar fest. Die sandigen bis steinigen Böden mit Kalk- und Lehmgehalt sind typische Alluvialböden – Böden, welche der Gletscher hinterlassen hat, der einst tatsächlich bis an die Küste reichte. Den Unterschied machen die Höhenlage, der Wind und die Kühle.
Im Trend liegt aktuell die Sorte Pecorino, die zwar wie ein Käse heißt, aber fast in Vergessenheit geraten war. Denn weil die Pecorino-Trauben klein sind und die Erträge stets niedrig, hatten sich die Winzer der Region beim Weißwein auf den Massenträger Trebbiano konzentriert. Enrico Cerulli-Spinozzi erklärt: „Pecorino kennzeichnet außerdem eine höhere Säure, was uns anfangs zu denken gab, aber seit ein paar Jahren sehen wir das sehr positiv. Der Trend geht ohnehin zu mehr Frische im Wein.“
Abtei mit Weintradition
Zu den aufstrebenden Winzern gehört auch Paolo Savini de Strasser, dessen Weingut, die Abbazia di Propezzano, nur zwanzig Minuten von der Küste entfernt liegt. Der in Rom aufgewachsene Architekt entschied sich erst vor sechs Jahren, die Verantwortung für die aus dem 6. Jahrhundert stammende Abbazia – seit 1871 im Familienbesitz – und für die dazugehörenden 20 Hektar Reben zu übernehmen. Seit vielen Jahrhunderten wird hier Wein produziert.
Paolo de Strasser hat 2012 als ersten Jahrgang in Flaschen gefüllt und setzt ebenfalls auf die autochthonen Sorten der Region. Besonders die Weißweine aus Trebbiano und Passerina überzeugen mit feiner Säurebalance und anregender Frische. Der Winzer betont: „Niemand weiß, wie interessant und vielfältig unsere Region hier ist. Mit Gran Sasso haben wir ein Schi- und Wandergebiet an der Hintertür und die Adria liegt vor unserer Haustür. Dennoch, essenziell und identitätsstiftend für das Gebiet ist der Weinbau.“
Kult im Schatten der Pergola
Kult-Status besitzt das biodynamische Weingut von Emidio Pepe im Norden der Colline Teramane. Dem unterschätzten Trebbiano entlockt Emidio Pepe sein wahres Qualitätspotenzial und der Montepulciano d’Abruzzo des Hauses ist ohnehin der Inbegriff eines eleganten Rotweines.
Die Reben stehen im traditionellen Erziehungssystem der Pergola. Das Blätterdach der Pergola spendet den Trauben Schatten in der sengenden Sonne Mittelitaliens. Dennoch werden heute die meisten Weingärten im Spalier (Reihen mit vertikaler Laubwand im Drahtrahmen) ausgepflanzt und die Regeln der Colline Teramane DOCG erlauben es auch nicht, für Neupflanzungen die „nicht qualitätsfördernde“ Pergola zu wählen. „Mr. Montepulciano“ Emidio Pepe ist hier anderer Meinung: „Der Schlüssel zu einem eleganten Montepulciano d’Abruzzo ist die Pergola. Die Trauben müssen im Schatten reif werden. Nur so bleibt die Säure erhalten und die Tannine reifen perfekt aus.“ Die Erträge der Pergola-Reben sind niedrig. Die Stöcke stehen weit voneinander entfernt und mitunter kommen gerade 1.000 Reben auf einen Hektar.
Die weißen Trauben werden nach der Lese mit den Füßen gestampft und die roten Trauben von Hand gerebelt. Der Weinausbau erfolgt in großen Betonbehältern. Das Motto „weniger ist mehr“ gilt sowohl im Weingarten als auch im Keller.